Mittwoch, 15. September 2010

Buda-Pest

Buda-Pest -

na, das wußte ich auch nicht: das sind zwei Namen, die irgendwann zum bekannten Budapest zusammengefaßt wurden. Wie schon öfters erwähnt: Reisen bildet … sofern man welche unternimmt. Also erst mal der Reihe nach…

Regen, Regen, Regen – schönstes Daheimsitzwetter nach meiner Entlassung aus dem Klinikum Großhadern. Gut – um Depressionen zu bekommen, die Ferien untätig an sich vorbeiziehen zu lassen, gut also für … eigentlich gar nix. Eigentlich – ja, da war am Anfang der Ferien noch die Planung einer Transalp, die aber dann nicht nur wegen meiner gesundheitlichen Probleme, sondern auch wegen des Dauerregens ins Wasser gefallen wäre.

Und irgendwann sind auch sechs Wochen Ferien – fast – zu Ende. Und nix ist passiert – außer Krankenhausaufenthalten, ungeplanten und zusätzlichen Schottland- und München-Flügen und viel Besuchen in Großhadern. Als dann wirklich nur noch etwas mehr als eine Woche bleibt, steht der Frust schon so weit oben … daß wir einfach Sonne suchen müssen.

Passiert ist das an einem Abend. Eleanor am Notebook, ich am PC – beide checken wir emails und suchen dann – nicht abgesprochen - die nächste Gegend mit Sonne. Nach einigen konzentrischen Kreisen mit wachsenden Radien um Tölz herum werde ich schließlich fündig: In Budapest scheint die Sonne während der kommenden Woche; und außerdem war ich da noch nicht. Schnell noch Verbindungen gecheckt: Flug kommt preislich nicht in Frage, die DB offeriert aber ein bezahlbares Europa-Special.

Also – eine Fluchtmöglichkeit gefunden: ‚Eleanor, there will be sun in Budapest next week…‘ Antwort: ‚I am just looking for hotels!‘ Woww – gleiche Idee zur gleichen Zeit mit identischem Ergebnis. Und als dann noch ein ***** Landmark Hotel zu einem super-duper-dumping-Preis angeboten wird, wird sofort gebucht.

Und am Dienstag geht’s morgens in aller Früh nach München und dort in den Rail-Jet der ÖBB nach Budapest. Dank günstiger Preise ist er ziemlich voll, aber wir haben deshalb 1. Klasse gebucht und sind baff erstaunt über die Qualität, den Komfort und den Service, den die Ösis in diesem Zug bieten. So wird uns die Zeit von über 7 Stunden auch nicht allzu lang – auch weil sich das Wetter sukzessive bessert.

Wir düsen durch schönste Alpenlandschaften, wenden in Wien, sind in der Ebene des Neusiedler Sees (alte Skating-Erinnerungen werden wach) und passieren schließlich die Grenze nach Ungarn.
Wo offenbar schon noch einiges zu tun ist. Baulich. Mehr sehen wir ja nicht. Aber vieles andere schon getan ist – wie etwa die wirtschaftliche Übernahme: Zunächst sehen wir mal baff erstaunt eine Tesco Filiale, die ich noch aus dokumentarischen Gründen fotografieren wollte. Dann aber nimmt’s überhand: Aldi, Lidl, Obi, Edeka, Ikea & Co überall und omnipräsent. Anscheinend gibt’s gar keine ungarischen Geschäfte mehr. Früher nannte man sowas Kolonialisierung, heute ‚friendly take over‘ (das friendly nehme ich mal an). Und ich meine das nicht in Bezug auf eine Firma, sondern auf das ganze Land.

Dann Ankunft in Budapest Keleti – ein imposanter Sackbahnhof, mitten in der Stadt. Natürlich für weniger und vor allem für kürzere Züge gebaut – aber so strahlt er etwas k&k Charme aus. Von dort aus ist’s nicht mehr weit zum New York Palace, unserem Domizil für die nächsten Tage. Wenn auch nicht weit, aber doch warm. Und mit Gepäck – auch wenn’s nicht viel ist, aber die Fotoausrüstung wiegt ja immer doch so einiges – etwas schweißtreibend. Aber – das Wetter ist gut! Endlich wieder. Flucht geglückt.

Das New York Palace von innen
Nach kurzem Fußweg stehen wir also da – vor dem NY Palace – und staunen. Es war ja als außergewöhnlich beschrieben – aber das ist es auch wirklich, oder sogar mehr. Wo andere, moderne Hotels ein überdimensioniertes Atrium haben und dahinter Standard(zimmer), da ist hier überall Architektur, feinstes Design und elegante, große Zimmer (auch wenn wir nur ein ‚Standard’zimmer bewohnen). Es gibt noch nicht mal ein reception desk – das würde einfach nicht in die Eleganz reinpassen. Stattdessen werden wir an einem Tisch eingecheckt, auf dem grade mal einige Laptops mußstehen. Immerhin, dieses Attribut an moderne Technologie muß sein. Im Zimmer möchte ich mich erst mal ausbreiten und gar nicht mehr raus – was aber dem Grund für die Reise widersprochen hätte.

Also machen wir uns mal auf, zu Fuß die Umgebung zu erkunden. Und landen bald in der Fußgängerzone nachdem wir am bereits geschlossenen Pariser Hof vorbeigekommen sind. Der wird für einen der nächsten Tage aufgehoben. Unterwegs kann ich nicht umhin, einen ungarischen Segafredo zu testen. Ist wirklich gut, nicht wirklich billig aber die Kassiererin dafür richtig üppig. Als ich ihren als Rock getarnten Gürtel sehe, weiß ich gar nicht mehr, wo ich gefahrlos hinschauen könnte (Am besten auf den Boden und in die Geldbörse) und übersehe dabei ihr extrem ausladendes Oberteil, das mir – laut Eleanor – gefährlich nahe gekommen ist. Ich werde wohl langsam alt…

Auf der Donau ist – wohl dank dem Hochwasser – kaum Schiffsverkehr, was aber dem Blick auf die Buda-Seite keinen Abbruch tut: Da glänzt der Burgpalast im schönsten Abendlicht, der Gellertberg grüßt und überhaupt sind wir richtig angetan von den Brücken, insbesondere natürlich der Kettenbrücke.

Am freien Platz vor dem Sheraton spielt ein Glaskünstler auf partiell gefüllten Weingläsern virtuos bekannte Weisen aus der Musikgeschichte – so gut, wie ich noch nie einen Straßenkünstler gehört habe. Nach Sonnenuntergang haben wir die Qual der Wahl eines Restaurants, was sich dank der Menge an möglichen Dinnerplätzen als fast unmöglich herausstellt. Schließlich landen wir – mehr überredet als überzeugt – in einem hübschen Lokal und essen vorzüglich.

Das war schon ein recht gelungener Einstieg in den Kurzurlaub.

Das Frühstück übertrifft unsere Erwartungen natürlich nicht – ein Hotel dieser Klasse hat einfach alles, aber auch wirklich alles zu bieten, wonach einem der Sinn steht. Deshalb dauert das Frühstück fast noch länger, als mein durch Lektüre in die Länge gezogenes Zuhausefrühstück (wenn ich allein bin). Budapest muß einfach noch ein bißchen warten.

Die Fischerbastei auf dem Burgberg
Wir haben uns für heute erst mal den Burgberg vorgenommen – und wollen die Stadt erlaufen. Auf dem Weg dahin passieren wir den Espressoladen, den ich aber geflissentlich links (naja, rechts) liegen lasse. Zu gefährlich. Nach der Brücke geht’s dann langsam den Berg hoch – erst zur Fischerbastei, einem etwas unwirklich erscheinenden Bauwerk. Es ist so eigenständig, daß es zwar vom Stil her ein Bruch zum Rest des Burgbergs ist, aber dennoch ein kleines Zauberwerk darstellt. Dort ist auch einer der schönsten Blicke der Stadt zu bewundern: Über die Donau hin nach Pest und dort dominiert das Parlamentsgebäude mit 270 m Länge und einer Höhe von 96 m das Ufer.

In der Matthiaskirche
Hinter der Fischerbastei ragt die Matthiaskirche in den Himmel – ein Bauwerk, dessen beeindruckende Schönheit schon äußerlich durch das wunderbar geflieste Dach dokumentiert wird. Im Innern herrscht im Gegensatz zu der äußeren farbigen Fröhlichkeit ziemliche Dunkelheit vor – ein kleiner Schock nach dem gleißenden Licht draußen. Deshalb kommt aus meiner Sicht die Bemalung des Inneren – und jeder noch so kleine Fleck ist bemalt – nur bedingt zur Geltung.

Danach erkunden wir etwas unschlüssig die Umgebung – sie gefällt uns trotz der Zigillionen von Touris recht gut. Wir wandern vor zur Burg, erkunden die Gebäude, lassen aber die Museen in Ruhe vor sich hin museeieren. Dazu können wir uns einfach nicht durchringen. Nach einem kleinen Snack erkunden wir den nördlichen Teil des Burgbergs und sind total begeistert von den kleinen Häusern, den schnuckeligen Verzierungen, den Hinterhöfen, der Ruhe (keine Touris). Bilderbuchumgebung. Sogar die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland ist nicht ein dominanter Neubau, sondern ein altes, hübsches Gebäude völlig im Stil der Umgebung.

Einen großen Kreis laufend kommen wir wieder zurück Richtung Fischerbastei. Wobei wir dann ein architekturelles Sakrileg in Augenschein nehmen: Schon von der anderen Seite war uns das häßliche Hilton aufgefallen; daß das aber nahtlos in ein bestehendes altes Gebäude eindringt ist eine wirkliche Todsünde! Da hilft wirklich nur eine Sprengung – oder sind die Ungarn wirklich auf derartig obszöne Investitionen angewiesen?

Ziemlich planlos erkunden wir jetzt einfach weiter die Stadt, sehen uns das Parlament aus der Nähe an und landen schließlich an der Stephans Basilika, vor der eine christliche Jugendgruppe grade für eine Aufführung zur christlichen Erlösung probt. Was es nicht alles gibt… Offenbar ist die Basilika einem anderen Gott geweiht, als die Matthiaskirche, denn Eleanor muß sich wegen ihres 'sexy outfit' mit einem Schal verhüllen. Beim Matthias waren die Sittenwächter noch der Meinung, daß das T-Shirt mit Ärmeln keine sexuelle Belästigung Gottes darstellen würde und haben sie ohne weiteres passieren lassen. Aber mit nackten Ellbogen in eine Kirche rein - wohin kämen wir denn da noch!

Als Lokal für das Dinner hatten wir uns das ‚Mini‘ rausgesucht, das sich durch Miniportionen erlesener Gerichte auszeichnet, wovon man einfach mehrere essen kann (damit a bisserl wie eine Tapas-Bar). Da wir von der ganzen Latscherei schon so ca. 4-7 cm geschrumpft sind, nehmen wir ein Taxi zum Restaurant. Wir werden wieder mal positiv überrascht – vorzüglicher Service, stimmungsvolle aber nicht aufdringliche Musik und exzellenter Geschmack. Macht Lust auf mehr … morgen.

Morgen – ein Morgen mit noch schlaffen Gliedern und Knochen, die einem schon beim Gedanken an Fußmarsch zum Kochen bringen. Jetzt haben wir aber noch lange nicht alles gesehen – was also tun? Abhilfe könnte der hop-on hop-off Service leisten. Auch wenn’s bei den hübschen Mädels des Service mit den hop-on hop-off T-Shirts einen etwas sonderbaren Eindruck machen sollte: das ist ein Bus-Service. Mit einer Route, die alle wichtigen Sehenswürdigkeiten streift und vielen Haltestellen (den sog. hop-on hop-off stops), an denen man Aus- und Zusteigen kann. Hilft also, die Wege zu minimieren. Wenn man ihn exzessiv nutzt. Erster Stop: der Gellertberg. Noch ein Traumblick über die Stadt. Und auch ein bißchen kürzer zurückliegende Geschichte – was am Befreiungsdenkmal deutlich zu sehen ist.

Blick vom Gellertberg auf den Stadtteil Pest

Weiter bussen wir nicht, sondern gehen. Was zwar nicht im Sinne des Service ist, aber uns den Gellertberg und die Quelle erschließt, an der der heilige Gerhard (Gellert), einer Legende zufolge, in ein Fass gesperrt und den Abhang hinunter in die Donau gestürzt wurde. Ganz schon martialisch die prächristlichen Ungarn. Aber – es ist ja nur eine Legende…

Am gegenüberliegenden Donau-Ufer liegt der Anlegeplatz für unsere Schiffahrt, die im hopping Ticket eingeschlossen ist. Meine Füße danken’s dem Veranstalter. Donauaufwärts ist es leider ein ziemlich kleines, sehr (über)gefülltes Bötchen. An der Anlegestelle der Margareteninsel nehmen wir Reißaus und erkunden diese. Auch sie hat eine etwas (un)selige Geschichte: Im Falle eines Sieges über die Tataren versprach König Béla IV. von Ungarn, seine Tochter Margarete als Nonne in das Dominikanerinnenkloster auf der Insel zu schicken. Nach dem Sieg der Ungarn löste er sein Versprechen ein. Dort starb seine Tochter schon im Alter von 35 Jahren und wurde bald darauf selig gesprochen – und die Insel nach ihr benannt.

No ... Sex on the toilet
So ganz selig sind wir nicht auf der Insel. Sie ist zwar nett, ganz nett zum Spazierengehen und Relaxen, aber … halt nix für uns. Heute. Wir kommen an das Bad, in dem gerade die Europameisterschaften im Schwimmen ausgetragen werden, treffen auf eine britische Teilnehmerin und suchen eine Kleinigkeit zum Essen. Dabei sehe ich an der Tür zur Damentoilette eines Restaurants eines der urigsten Schilder, die ich je gesehen habe. Verboten ist – vieles – und zuletzt auch noch Sex auf der Toilette. Schön piktogrammatisch dargestellt. Ein Foto wert.

Danach geht es – auf einem anderen Schiff – zurück zu unserer Anlegestelle. Von Markus wußten wir schon, daß der Markt sehenswert sein sollte – und das ist er auch. Turn of the Century Architektur, mit viel frischen Lebensmitteln und noch mehr überflüssigem Touri-Dingsgebumse. Zwar bin ich versucht, für Eva und Markus ein (aus meiner Sicht) passendes T-Shirt (Game Over mit einem Hochzeitspaar) zu kaufen, darf aber nicht und belasse es bei einem Bild. Das dient dann später als Zierde für einen Gutschein wegen Georgie-Betreuung… Immerhin irgendwie hab ich’s dann doch noch untergebracht.

Dann erwandern wir – wir sind ja im Besitz eines sog. Bustickets … - die Stadt noch ein bißchen, bis wir wieder ein hopping-Terminal sehen. Daß wir wieder den Bus nehmen, erweist sich schließlich als schlechtere Lösung: dank Verkehrschaos in den Abendstunden ist jeder Fußgänger deutlich schneller unterwegs. Wozu wir uns dann auch entscheiden – aber, Murphy sei’s geklagt, von da an ist kein Stau mehr in Sicht; das Chaos muß also an uns gelegen haben. Wir ergattern – kurz vor Geschäftsschluß – noch je einen Nespresso im Shop, nachdem wir versichert haben, daß wir Mitglieder des Nespresso-Clubs seien (was wir auch sind).

Das NY Palace in der Nacht
Nach weiteren diversen abgelaufenen Sohlen (schließlich auch an den Füssen) landen wir wieder im NY Palace und spülen beim Duschen die Müdigkeit den Abfluß runter und regenerieren die fast toten Zellen. Abends gibt’s noch ein Farewell-Dinner beim Mini – und dann ist schon wieder Schluß mit Budapest.

Ein gemütliches Frühstück gibt’s noch, dann den bekannten Weg zum Bahnhof Keleti, wo wir auf den Ösi-Zug warten. Unsere Reservierung bedeutet, daß wir ab Wien gegen die Fahrtrichtung sitzen würden. Abhilfe schafft die Premium Class der ÖBB: nur 3 Sitze im Abteil, Super-Service bis München mit Snacks, Getränken und Zeitungen. Da vergeht die Zeit im Flug (?) und langsam können wir uns wieder an den Regen gewöhnen – sukzessive wird’s schlechter und zuhause begrüßt uns eine uferlose Isar, getränkt durch Dauerregen.

Sonne gab’s also nur in Budapest – was allein schon die Reise wert gewesen wäre.

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